MFG - Auf die Plätze, fertig, lois!
Auf die Plätze, fertig, lois!


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Auf die Plätze, fertig, lois!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 07/2005

DI Paul A. Gessl kann wohl als der einflussreichste Kulturmanager des Bundeslandes bezeichnet werden. Als Geschäftsführer der Niederösterreichischen Kulturwirtschaft GmbH, kurz NÖKU, unterstehen ihm mittlerweile neun Gesellschaften mit 17 Teilbetrieben.

Jüngstes Baby der Familie: das Landestheater. Wir plauderten mit dem Boss der Bosse über die Theaterübernahme in St. Pölten, Wirtschaftsstrukturen im Kulturbereich und das ominöse A in seinem Namen. Die Übernahme des Stadttheaters erinnerte an „Pleiten, Pech & Pannen“. Hat man sich nicht selbst das Leben schwer gemacht, weil man nicht von Anfang an Klartext, von einem Neubeginn gesprochen hat? Das haben wir ja, nur wurden wir nicht gehört. Es ist ein Neuanfang! Das Problem war nur, dass wir quasi parallel zum laufenden Wechsel in der Rechtsträgerschaft neue Strukturen aufbauen mussten. Zunächst war noch die Stadt für das Haus verantwortlich, dann war das Verhältnis 50% zu 50%, und eigentlich erst mit 31.8. ist das Land alleinverantwortlich.  Was mich immens stört ist, dass so getan wird, als wären sämtliche Umstrukturierungen überraschend. Die Änderungen, insbesondere der Focus auf Sprechtheater im Landestheater und Musiktheater im Festspielhaus, wäre auch unter der Ägide der Stadt gekommen, ganz einfach weil dieser Schritt richtig ist. Wir haben diese Entscheidungen ja auf Basis vieler Analysen getroffen und nicht aus heiterem Himmel.  Eine Folge war die Auflösung des Stadttheaterorchesters, was die Wogen hochgehen ließ. Ich verstehe, dass die Betroffenen – auch mit Unterschriftenlisten – um ihren Job kämpfen. Das ist legitim. Die mediale Berichterstattung aber war einseitig, weil sie in keinster Weise auf Hintergründe einging. Wenn die Auslastung des Orchesters zuletzt bei 49% lag, die Beschäftigung also schon vorher nicht zufriedenstellend war, dann gibt es Handlungsbedarf. Zudem verfolgen wir mit den Tonkünstlern NÖ, wo über 100 Leute beschäftigt sind, eine Offensivstrategie mit mehr Musiktheaterproduktionen im Festspielhaus. All dies fiel zeitlich und strategisch zusammen und macht im Hinblick auf die Gesamtstrategie Sinn. Eine schiefe Optik machte auch der Umstand, dass auf der einen Seite Leute gehen mussten, umgekehrt im mittleren Management neue eingestellt wurden.  Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. In der Geschäftsführung verfolgen wir in der gesamten Holding das Vier-Augen-Prinzip. Das hat sich bewährt und ist auch in internationalen Konzernen Standard, einfach weil es die Effizienz erhöht anstatt. Schauen Sie sich die Diskussion um die Bundesmuseen an. Da wird gerade schärfstens kritisiert, dass es nur einen Alleinverantwortlichen gibt. Vier Augen sehen nun einmal mehr als zwei. Außerdem wird der zweite Geschäftsführer von der Holding gestellt. Die Neuen im Stadttheater sind notwendig, wenn wir das Haus professionell weiterentwickeln möchten. Überraschend kam, dass Reinhard Hauser nicht weiterverpflichtet wurde, obwohl es zuvor Signale in diese Richtung gegeben hatte. Gemäß dem Ordnungsprinzip gab es eine Ausschreibung. Bei der Findungskommission waren die Intendanten von Bühne im Hof und Festspielhaus eingeladen. Jeder Kandidat hat sein Konzept vorgestellt, das schlüssigste wurde genommen - das war absolut transparent.  Obwohl die teuren Operettenproduktion weggefallen und die Zahl der Vorstellungen deutlich zurückgeschraubt wird, bleibt das Budget für das Theater dasselbe. Wohin fließt das Geld? In noch mehr Qualität. Obwohl wir das Ensembletheater erhalten, setzen wir zugleich auch auf attraktive Gastschauspieler, Regisseure und Gastspiele. Ich bin auf das erste Programm sehr stolz - beachtlich, was da in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt wurde, wenn ich nur an die Gastspiele des Berliner Ensembles, der Josefstadt oder die Co-Produktion mit next liberty denke. Das ist der Weg, den wir in Zukunft weiter beschreiten wollen.  Welcher Grundstrategie entspringt die Übernahme des Theaters in Landesverantwortung – oder war das nur Folge des Krankenhausdeals?  Für mich hat das mit dem Krankenhaus-Deal im Grunde genommen überhaupt nichts zu tun. Faktum ist, dass wir in einer 50.000 Einwohner großen Stadt drei große Kulturbühnen haben, da ist es einfach naheliegend, dass diese – wo es Sinn macht – gemeinsam auftreten, ohne deshalb aber ihre eigenständige Positionierung aufzugeben. Es ging immer in diese Richtung, auch unter Stadtägide - durch die Übernahmen hat sich der Prozess nur beschleunigt. Es macht jedenfalls Sinn, wenn etwa die Abos häuserübergreifend angeboten werden, wenn gemeinsame Vertriebswege für Verteilaktionen umgesetzt werden, die Pressearbeit koordiniert wird etc. Die klare inhaltliche Abgrenzung einerseits, und die Zusammenarbeit in den Dienstleistungen am Markt andererseits, sollten im Mittelpunkt der Arbeit der drei Bühnen stehen. In anderen Städten, man nehme nur die Vereinigten Bühnen Graz, wird das schon erfolgreich praktiziert. Letztlich geht es um den gemeinsamen Mehrwert für den Kunstinteressierten – das ist meine Philosophie!  Welche Rolle spielt dabei genau die NÖKU, die als eine Art Grundmatrix im Hintergrund immer mitschwingt?  Unsere Rolle ist es, Steuerungsmittel zu finden, damit der Betrieb für Kunst und Publikum optimal läuft. Die NÖKU steht so gesehen für Professionalisierung der Kulturwirtschaft. Von ihr sind Kernkompetenzen wie Budget, Lohnverrechung, Berichtswesen, IT etc. durchzuführen. Konzepte, die etwa bei den Bundesmuseen gerade angedacht werden. Wir haben diesbezüglich seit 2000 Standards in verschiedenen Bereichen geschaffen, da sind wir anderen meilenweit voraus. Entscheidend ist aber, dass die NÖKU kein Selbstzweck ist, sondern Umsetzer. Burgtheater-Chef Bachler hat im ORF kritisiert, dass man einen Theaterbetrieb nicht wie eine Konservenfabrik führen könne. Ist die NÖKU die Widerlegung davon? Man muss zur Kenntnis nehmen, dass eine wirtschaftliche Basis grundlegend ist. Das heißt nicht, dass die Kunst vergewaltigt wird. Im Gegenteil: Die Freiheit der Kunst ist für uns oberstes Prinzip. Aber gerade dafür bedarf es wirtschaftlicher und organisatorischer Rahmenbedingungen. Dafür steht die NÖKU. Ganz wichtig in diesem Prozess ist auch die Kommunikation zwischen allen Protagonisten – die ist nicht immer leicht. Hängt das mit der Eitelkeit manch künstlerischer Leiter zusammen? Bisweilen vielleicht. Aber auch der künstlerische Leiter ist nicht zum Selbstzweck da! Wie positioniert man sich eigentlich überregional gegenüber anderen Kulturstandorten. Da steht man ja quasi im Konkurrenzkampf um Besucher. St. Pölten hat nach wie vor ein großes Imageproblem. Daraus ergibt sich ein extremer Standort-Nachteil. Dem gegenüber steht die Realität einer großen Angebotspalette, gerade auch im künstlerischen Bereich. Das muss man offensiv überregional kommunizieren. Das Festspielhaus mit seinen Tanzproduktionen ist prädestiniert, hier als Leuchtturm zu fungieren. Letztlich geht es um die Inszenierung des Standortes. Da erwarte ich mir auch seitens der Stadt noch mehr Offenheit und Kommunikation.  Aber ist es da – quasi auf Mikroebene, wo’s beginnt - nicht kontraproduktiv, wenn das letzte freie Platzerl im Regierungsviertel einem Bürobau weichen muss? Nein. Das Problem sind Bausünden von früher, dass etwa ein richtiger Graben zwischen Regierungsviertel und Innenstadt geschaffen wurde. Den muss man überwinden, wobei die Abgrenzung aber auch in den Köpfen der Leute stattfindet – da muss man ansetzen. Das wird noch seine Zeit brauchen, andererseits stimmen die stetig ansteigenden Besucherzahlen gerade von Personen aus St. Pölten und dem Bezirk zuversichtlich. Die Richtung stimmt also. Man muss solchen Institutionen einfach Zeit geben. Das Festspielhaus gibt’s gerade einmal acht Jahre, das Landesmuseum zwei – das ist keine Dimension. Das funktioniert nicht so wie bei einem Lichtschalter, dass man den einfach umlegt und alles ist hell erleuchtet. Da geht es dem Museumsquartier Wien, und das steht in einer Millionenstadt, nicht anders. Eine Verankerung erfolgt nur step by step. Können Sie zum Schluss ein Rätsel lösen? Wofür steht das A in Ihrem Namen? Für Alois! Zur Person DI Paul A. Gessl wurde 1961 in Hollabrunn geboren, in dessen Nähe er noch heute lebt. Vater von zwei Kindern. Nach mehreren Geschäftsführungs-Positionen in Industriebetrieben (u.a. im Bereich Oil Field Equipement, Metallverarbeitung, Kabelrecycling) wird Gessl mit Jänner 2000 zum GF der NÖKU bestellt. Heute unterstehen ihm neun Gesellschaften mit 17 Kulturbetrieben in Niederösterreich! Im Jahr legt er über 60.000 km mit dem PKW zurück! Als kühler Rechner („Im Job muss ich die Ratio vor die Emotio stellen!“) ist er künstlerisch aufgeschlossen: „Ich bin ein in jeder Beziehung sehr offener Mensch und hab ein gleich hohes Interesse an bildender und darstellender Kunst!“